Presse und Texte (Auswahl)

Karl-Heinz Liefert: Zur Ausstellungseröffnung im Kloster Zarrentin 2025

Liebe Frau Rave, werte Anwesende,

als ich am Dienstag dieser Woche durch den Wald lief, kreuzten vier Rehe

meinen Weg. Sie liefen ins Unterholz, blieben stehen, schauten sich um und

ergriffen nicht die Flucht in eine von einem Geschoss unerreichbare Ferne.

Sie beobachteten mich. Ich stand quasi „Unter Beobachtung“ - vielleicht

solange, bis ich in einen anderen Weg einbog und für sie keine Gefahr mehr

darstellte.

„Unter Beobachtung“ ist die Ausstellung der Malerin und Zeichnerin Friederike

Rave im Kloster Zarrentin überschrieben.

Beim ersten Lesen des Titels hielt ich ein wenig inne.

Denn das reine Verb „beobachten“ hat einen anderen Klang als das mit der

Präposition „unter“ versehene Substantiv „Beobachtung“.

Zumindest dehnt es die Zeit und lässt mich persönlich daran denken, dass

Menschen z. B. aus politischen Gründen in manchen Ländern „Unter

Beobachtung“ standen und stehen. In einem ehemaligen Grenzort schwingt

dieses einfach mit.

Auf der Einladungskarte zu dieser Ausstellung findet sich im QR-Code ein Logo.

Es zeigt eine Frau mit einem Fernglas und ist die Bildmarke der Künstlerin seit

ihrem Diplom.

Frau Rave, Sie bezeichnen sich als „Gast in der Natur“, als „Beobachterin“ und

„Zugereiste“.

Sie schreiben in einem Text zur Ausstellung: „Das Staunen über die Natur, die

Freude an ihrer Schönheit, aber auch das Befremdet-Sein über ihre Brutalität,

Gewalt, Wildheit, ihre Unkontrollierbarkeit hinterlassen vielfältige und

wechselhafte Eindrücke, die ich künstlerisch verarbeite.“

Die Formensprache von Friederike Rave kommt ohne einen harten Ton aus. Man

nimmt es dieser Sprache ab - der in Bildern zu uns sprechenden Künstlerin -

dass sie der Natur, dass sie unseren Mitgeschöpfen mit einer großen Empathie

begegnet.

In den graphischen Blättern hören wir auch humorvolle, manchmal irritierende

Töne.

Beides sind Sprachen, die Sie, Frau Rave, beherrschen. Sie kommen aus einer

Hand!

Farbenprächtig sind die Aquarelle der Apfelblüten-Reihe.

Der Duktus dieser Blätter lässt eine Verwandtschaft zur asiatischen Tusche-

Malerei erkennen. Schön sind sie komponiert. Die Vögel in den Goldenen

Schnitt gesetzt. Blüten und Blätter - hier eher Tupfer – wurden wie ein

Kalligraphie-Rankenwerk als Kontrapunkt gesetzt.Überhaupt die Vogelbilder.

Ich frage mich, warum viele Menschen den kleinen aber auch großen Vögeln so

viel Sympathie und Zuneigung entgegen bringen.

Liegt es daran, dass sie sich scheinbar unbeschwert in die Lüfte erheben und

wir Menschen mit unserer Masse und unserem Ballast der Schwerkraft nicht

entfliehen können?

Denn nur indirekt und mit hohem technischen Aufwand schaffen wir es, der

Anziehungskraft der Erde zu trotzen.

Oder ist es dieses:

Die englische Autorin Helen Mcdonald zitiert in ihrem Buch „Abendflüge“ ihren

Kollegen Mark Cocker der behauptet, „der simple Franz-von-Assi-Akt des

Vogelfütterns wecke unsere Lebensfreude und erlöse uns „auf eine

fundamentale Art und Weise.“

Oder ist es Ihre Lebensleichtigkeit, die sich oft in ihrem Gesang an unsere

Ohren schmiegt?

Die Vögel sind Mitgeschöpfe und begrüßen mich jeden Morgen mit ihrem Hin-

und Her-Flug, wenn ich aus dem Küchenfenster schaue. Vorher wecken sie mich

manchmal mit ihrem Gesang. Sie sind Teil unserer kleinen Lebenswelt. Und

überall auf der Erde werden sie in der Kunst und in der Poesie wertgeschätzt.

Da sind aber noch Gans, Hase, Fuchs und Kauz – alle in einer wunderbaren Art

gemalt.

Durch kreisrunde und rechteckige Flächen, die die fast monochrome Leinwand

durchbrechen, schauen sie uns an.

Dinge wie Tassen und Teller, mit denen wir täglich umgehen, sind ihnen

beigestellt.

So, dass wir wie im Märchen sagen könnten: “Wer hat auf meinem Stühlchen

gesessen, wer hat aus meinem Becherlein getrunken, wer hat von meinem

Tellerchen gegessen?“

Doch es ist die Realität. Die Tiere kommen uns näher, als wir denken.

Sind diese Bilder ein Gleichnis dafür, dass die Tiere sich aus ihren

angestammten Revieren auf den Weg in die Menschenwelt machen, weil wir

das „Machet-euch-die-Erde-untertan“ weiterhin exzessiv betreiben und damit

ihre Lebensräume immer mehr zerstören?

Friederike Rave öffnet uns mit ihrer Kunst die Augen für die uns umgebende

Natur und für unsere Mitgeschöpfe, selbst für den kleinsten Vogel.

Der Haiku-Dichter Issa schrieb vor 300 Jahren:

„Im Weltgetriebe

Auch so ein kleiner Vogel

Sein Nest sich baute.“


Text von Irene von Hardenberg, Journalistin und Autorin

Ein Singvogel im Rosengebüsch. Ein Sperling in nächtlicher  Stille im Blätterwald. 

Träumerei, Fried, Harmonie, Zen? In der Aquarellserie "Wildheit und Fülle" von Friederike Rave ist die Natur von anderer, von zwiespältiger Art.

 

Ein Farbenrausch der Blüten: prachtvoll explosiv, doch zugleich erstickend und vergiftet. Eine Vielfalt der Blätterformen: graphisch zart, und doch auch wuchernd, surreal, verstörend.

 

Spiegelt diese Natur unbewusst auch die Brechungen des Alltags des Menschen? Das Ineinanderfließen von Schönem und Schrecklichem? Die Unberechenbarkeit und Doppelzüngigkeit des Schicksals? In den Bildern  von "Wildheit und Fülle" trotzen kleine Singvögel der faszinieren schönen Übermacht von wirbelnden Blüten und abstraktem Blättergewirr. Auch das eine unbewusste Metapher ?

 

Die Serie "Wildheit und Fülle" beschäftigt FriederikeRave neben vielen anderen Themen bereits seit 2013 in immer wieder anderen Variationen. Ungefähr seit dieser Zeit lebt die Künstlerin - ursprünglich eine bekennende Städterin- in Mecklenburg am Rande des Naturschutzgebiets Schaalsee mit seinen wilden Mooren, Seen und Wäldern. Seither lässt sie die Thematik von der Kraft der unberührten Natur nicht mehr los - wieso viele Künstler vor ihr von den Romantikern des 19. Jahrhunderts bis zu den norddeutschen Expressionisten. 


Silke Roß für die Schweriner Volkszeitung

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Zeitungsartikel zu meiner Herbst-Winter Atelierausstellung
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Zur bevorstehenden Ausstellung im Kloster Zarrentin 2017